Aktuelles

Wir informieren Sie regelmäßig über aktuelle rechtliche Entwicklungen, Rechtsprechung sowie Aktuelles aus unseren juristischen Tätigkeitsbereichen.

IMMER AUF DEM NEUESTEN STAND

Aktuelles aus unseren juristischen Tätigkeitsbereichen finden sie hier und auf unserer Facebook-Seite.

https://www.facebook.com/Rechtsanwalt.Kanzlei

Unzulässiges Fähnchen im Wind oder zulässige Eigenverantwortung?

Diese Frage hatte das kürzlich das Bundesverwaltungsgericht mit Hinblick auf die Kompetenz der Korrektoren im zweiten juristischen Staatsexamen zu klären (BVerwG, Beschl. v. 14.12.2023, Az. 6 B 12.23). Der zu Grunde liegende Sachverhalt ist äußerst brisant:

Ein Prüfling in NRW schrieb 2019 seine acht Klausuren. Das Ergebnis: Unter 3,50 Notenpunkten. Zur mündlichen Prüfung wurde er somit nicht zugelassen. Das Examen galt als nicht bestanden.

Das Ergebnis akzeptierte der Prüfling jedoch nicht. Im Wege des Widerspruchs wandte er sich gegen fünf der acht Klausuren. Unter anderem gegen eine Strafrechtsklausur, die ursprünglich mit sechs Notenpunkten bewertet worden war. Sodann begann ein Wirrwarr:

Auf das Bestreben des Examenskandidaten hin überdachten der Erstkorrektor und auch der Zweitkorrektor Ihre Bewertung dieser Strafrechtsklausur. Das Ergebnis: Nach Auffassung des Erstkorrektors liege eine Bearbeitung vor, die auch vertretbar mit sieben Notenpunkten bewertet werden könne. Der Zweitkorrektor schloss sich dieser Meinung an. Die Klausur wurde auf sieben Punkte hochgestuft. Die gute Nachricht: Durch diese Hochstufung schaffte es der Kandidat über die 3,50 Notenpunkte und sollte damit zur mündlichen Prüfung zugelassen werden.

Dann grätschte jedoch das Landesjustizprüfungsamt von NRW dazwischen. Der Bewertungsmaßstab dürfe nicht verschoben werden. Es nahm intern Einfluss auf die beiden Korrektoren. Die Hochstufung wurde durch den Erst- und den Zweitkorrektor sodann zurückgenommen. Das LJPA stellte sich quer. Es erging ein ablehnender Bescheid. Der Prüfling sollte nun doch nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen werden.

Hiergegen klagte dann der Prüfling. Das LJPA habe sich in unzulässiger Art und Weise in den Bewertungsspielraum der Korrektoren eingemischt. Nach Auffassung des LJPA sei diese Einmischung zulässig. Im Überprüfungsverfahren sei eine Hochstufung nur bei substantiierten Einwendungen des Widerspruchsführers möglich. Ansonsten drohe eine nachträgliche Verschiebung des Bewertungsmaßstabes.

Die Verwaltungsgerichte und letztlich auch das Oberverwaltungsgericht schlugen sich auf die Seite des Prüflings. Das Oberverwaltungsgericht führt zur Klärung obiger Streitfrage aus:

„Denn dass eine erneute Gewichtung einzelner Aspekte der Prüfungsleistung im Rahmen der Gesamtbewertung nicht allein deshalb eine mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbare Änderung des Bewertungssystems darstellt, weil die vom Prüfling erhobenen Einwände jeweils für sich genommen nicht durchgreifen, ist nicht klärungsbedürftig. Der Prüfer darf zwar keine vom Vergleichsrahmen unabhängige Bewertung vornehmen und seine prüfungsspezifischen Bewertungskriterien nicht ändern. Der Grundsatz der Chancengleichheit wird jedoch offensichtlich nicht beeinträchtigt, wenn der Prüfer im Rahmen des Überdenkungsverfahrens zu dem Ergebnis gelangt, dass die Prüfungsleistung innerhalb des zugrunde gelegten Vergleichsrahmens anders einzuordnen ist.“

Das eindeutige Ergebnis: Es liegt keine Beeinträchtigung der Chancengleichheit vor, wenn ein Prüfer seine Bewertung im Überdenkungsverfahren in der Gesamtschau abändert. Der Korrektor darf sein Votum eigenständig überdenken. Das Eingreifen des LJPA war unzulässig.

Das LJPA, das das Verfahren durch nunmehr alle Instanzen trieb, wurde letztendlich dazu verpflichtet, den Prüfling unter Berücksichtigung der Hochstufung der Strafrechtsklausur auf sieben Punkte neu zu bescheiden. Konsequenz dessen ist, dass der Kandidat nach nunmehr vier Jahren (!) doch zur mündlichen Prüfung zugelassen wird und eine Chance auf das Bestehen des Staatsexamens hat.

Der Beschluss des BVerwG hat insoweit Brisanz, als dass er die Eigenverantwortung der Korrektoren hervorhebt. Ein Überdenken der Bewertung derer ist auch ohne substantiiertes Vortragen eines Fehlers durch den Beschwerdeführer grundsätzlich möglich. Prüfungsanfechtungen können also auch durch eine Gesamtschau und Neuüberdenkung der Bewertung zum Erfolg führen, ohne dass dadurch die Chancengleichheit der übrigen Kandidaten beeinträchtigt wäre.

Nach hiesigem Dafürhalten problematisch bleibt weiter die so genannte offene Zweitkorrektur. Eine echte Unabhängigkeit der Korrektoren in allen Bundesländern wäre dann erreicht, wenn sich der Zweitkorrektor ohne Kenntnis des Erstgutachtens eine eigene Meinung bilden müsste. Praxis ist bislang leider oft, dass sich der Zweitkorrektor nach mutmaßlich grober Durchsicht dem Votum des Erstkorrektors anschließt.

Weitere Entwicklungen dahingehend bleiben abzuwarten. Zu allen Fragen hinsichtlich der Prüfungsanfechtung stehen wir Ihnen gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

Bundesverfassungsgericht erklärt StPO-Änderung für verfassungswidrig

Neues aus Karlsruhe: Auf die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten hin wurde eine Änderung der Strafprozessordnung aus dem Jahre 2021 für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. In der Sache geht es um § 362 StPO, die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens zuungunsten des Verurteilten. Dieser wurde 2021 wie folgt neu gefasst bzw. ergänzt:

„Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,

[…]

Nr. 5 wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes […] verurteilt wird.“

Unter Anwendung dieses Rechts wurde der Prozess gegen einen bereits 1983 freigesprochenen Tatverdächtigen eines Mordes wieder neu aufgenommen. Auf Grund neuer DNA-Beweise glaubte die Staatsanwaltschaft den Beweis für dessen Verbrechen nun führen zu können.

Hiergegen wehrte sich der Angeklagte. Im Rahmen seiner Verfassungsbeschwerde prüfte das BVerfG die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme und hierbei inzident die Rechtmäßigkeit der geänderten Vorschrift der StPO. Nach Auffassung der Karlsruher Richter verstößt der neu gefasste § 362 StPO gegen Art. 103 III GG. Darin ist das Doppelbestrafungsverbot (lat. ne bis in idem) normiert. Dieser Grundsatz wird durch das BVerfG als grundrechtsgleich eingestuft. Das Verbot wird durch den Strafklageverbrauch konkretisiert. Ist ein Angeklagter einmal freigesprochen, soll eine Wiederaufnahme nur unter engsten Voraussetzungen möglich sein.

In der Abwägung zwischen diesem grundrechtsgleichen Gebot und der neuen StPO-Vorschrift überwiegen die Interessen des Einzelnen. Das BVerfG begründet die Entscheidung bemerkenswert:

„Daneben dient die Rechtskraft einer Entscheidung auch dem Rechtsfrieden. Es besteht ein vom Einzelnen unabhängiges Bedürfnis der Gesellschaft an einer endgültigen Feststellung der Rechtslage. Daher hat sich die moderne rechtsstaatliche Ordnung gegen die Erreichung des Ideals absoluter Wahrheit und für die in einem rechtsförmigen Verfahren festzustellende, stets nur relative Wahrheit entschieden. Auch das Strafrecht gebietet keine Erforschung der Wahrheit um jeden Preis.“

Eine kriminalpolitisch hoch interessante, vielleicht auch ernüchternde Entscheidung, die nach hiesiger Einschätzung Eingang in sämtliche juristische Prüfungen finden wird.

Lästern und Beleidigungen in privater WhatsApp-Gruppe als Kündigungsgrund?

Lästern (in Maßen!) soll gesund für die Psyche sein. Jeder Arbeitnehmer muss sich jedoch in Zukunft genau prüfen, wem gegenüber und in welchem Rahmen er unliebsame Details zu Arbeitgeber oder Arbeitskollegen preisgibt.

Anlass hierzu ist das brandaktuelle Urteil des BAG in Erfurt (Urt. v. 24.08.2023, Az. 2 AZR 17/23). Ein Arbeitnehmer war auf Grund diverser Lästereien und gar Beleidigungen im Bezug auf Arbeitskollegen gekündigt worden. Das Bemerkenswerte: Diese Äußerungen tätigte der Arbeitnehmer in einer privaten WhatsApp-Gruppe. Die Beleidigungen wurden publik und sind nach dem Urteil des höchsten Arbeitsgerichts Grund genug für eine rechtmäßige Kündigung.

Das brisante Spannungsfeld dieser Entscheidung ist der Bereich der privaten oder gar intimen Lebensführung. Fraglich war, ob der beleidigende Arbeitnehmer auf Grund der Äußerung in einer privaten WhatsApp-Gruppe darauf vertrauen durfte, sich in einer dem Zugriff des Arbeitgebers entzogenen Sphäre zu äußern. Ähnliche Einschränkungen werden in der Rechtsprechung in beinahe allen Rechtsgebieten vorgenommen.

Nach der Einschätzung des BAG sei die Vertraulichkeitserwartung nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das allerdings sei abhängig von dem Inhalt der Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten beleidigende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Der Rechtsstreit wurde nunmehr an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Der gekündigte Arbeitnehmer erhält so die Möglichkeit darzulegen, weshalb er eine Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Die Rechtsprechung zur arbeitsrechtlichen Verwertbarkeit von Beleidigungen in WhatsApp-Gruppen war bislang nicht einheitlich. Das BAG hat mit dieser Entscheidung einen ersten Pflock eingehauen. Naheliegend ist, dass in Zukunft Einzelfallbetrachtungen erfolgen werden anhand derer im Wege der Rechtsfortbildung mehr oder minder feste Kriterien für die Beurteilung einer Vertraulichkeitserwartung herausgebildet werden.

Dieser Fall ist äußerst relevant für Praxis und Examen.

Familie muss wegen Gerichtsfehlers Haus abreißen und Grundstück zurückgeben

Für eine Familie bei Rangsdorf endet der Traum vom Eigenheim als Albtraum. Das OLG Brandenburg fällte vor kurzem ein folgenschweres Urteil (Urt. v. 29.06.2023, Az. 5 U 81/20). Zum Sachverhalt:

Alles dreht sich um ein Grundstück bei Rangsdorf in Brandenburg. Die Eigentümerin war bereits vor langer Zeit verstorben. Testamentarisch setzte sie Ihren in den USA lebenden Neffen als Erben ein. Dieser meldete sich jedoch lange Zeit nicht initiativ beim Nachlassgericht. Das zuständige Amtsgericht stellte jedoch selbst auch keine Nachforschungen zum Verbleib des Erben an.

Das Grundstück wurde deshalb im Jahr 2010 zwangsversteigert. Die oben genannte Familie erhielt den Zuschlag. Nach der Eintragung im Grundbuch nahm die Familie einen hohen Kredit auf und errichtete dort ein Einfamilienhaus.

Im Jahr 2013 meldete sich der Erbe des Grundstücks beim zuständigen Amtsgericht. Dieses habe trotz des hohen Werts des Nachlasses keinerlei Nachforschungen zu seinem Aufenthaltsort angestellt. Seine Rechte als Erbe und Eigentümer seien deshalb durch die Zwangsversteigerung beschnitten worden. Die Zwangsversteigerung sei deshalb unzulässig gewesen und müsse deshalb für unwirksam erklärt werden.

Tatsächlich wurde der Zwangsversteigerungsbeschluss deshalb aufgehoben.

Der Erbe verlangte sodann klageweise beim Landgericht Potsdam von der Familie die Rückgabe des Grundstücks, die Zustimmung zu seiner Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch und den Abriss des Einfamilienhauses. Während das Landgericht die Klage nur teilweise für begründet hielt, änderte das OLG Brandenburg dieses Urteil nun ab.

Die Klage hatte Erfolg. Durch die Zwangsversteigerung sei der Erbe in seinen Rechten verletzt worden. Dieser sei durch den Tod seiner Tante unmittelbar Eigentümer geworden. Durch den aufgehobenen Zwangsversteigerungsbeschluss habe der Erbe auch nie das Eigentum am Grundstück verloren. Er habe deshalb einen Anspruch auf Herausgabe und Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer im Grundbuch. Darüber hinaus stehe ihm das Eigentum unbeschadet aller Änderungen zu. Nach der Argumentation des Gerichts verbliebe sonst eine wirtschaftlich leere Hülle. Die Familie muss deshalb auch auf eigene Kosten das Einfamilienhaus, das sie für zehn Jahre bewohnte abreißen. Das Gericht hielt eine Räumungs- und Übergabefrist von einem Jahr für angemessen.

Das Gericht hebt hiermit die überragende Bedeutung des Eigentums hervor. Das Ergebnis hat einen faden Beigeschmack. Juristisch richtig dürfte das Urteil jedoch sein. Etwaige Fehler bei der Zwangsversteigerung wirken sich im Verhältnis zum Erben und Eigentümer des Grundstücks nicht aus. Änderungen lassen sich auch nicht über Treu und Glauben konstruieren.

Das Land Brandenburg prüft deshalb nunmehr seine Amtshaftungsansprüche zu Gunsten der Familie, die vor dem wirtschaftlichen Ruin steht. Nach einer Pressemitteilung strebt es eine außergerichtliche Lösung und Hilfe an.

Das Urteil besitzt enorme praktische Relevanz und dürfte vor allem für Examenskandidaten relevant sein.

Die Revision zum BGH hat das OLG Brandenburg nicht zugelassen. Dies wird jedoch derzeit mit einer Beschwerde überprüft.   

Digitalisierung – Nein, danke!

Den Grundtenor der Überschrift brachte zuletzt der 2. Senat für Bußgeldsachen des OLG Karlsruhe durch Beschluss (2 ORbs 35 Ss 4/23) zum Ausdruck. 

Das Regierungspräsidium hatte gegen einen Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 67 km/h eine Geldbuße in Höhe von 650 € und ein Fahrverbot von zwei Monaten festgesetzt. Dies wollte der vermeintliche Raser nicht auf sich beruhen lassen und legte gegen den Bußgeldbescheid schriftlich wirksamen Einspruch ein. Oder doch nicht?

Den Einspruch versandte er nämlich per Mail. Zwar sendete er auch einen Brief hinterher, doch ging der erst nach Fristablauf zu. Der digital abgesendete, per se fristgerechte Einspruch wurde allerdings als unzulässig – da nicht der vorgeschriebenen Form entsprechend – verworfen. Der Bußgeldbescheid wurde mangels rechtmäßigen Einspruchs rechtskräftig.

Das OLG führt hierzu aus:

„Der mittels Anhang einer einfachen E-Mail übersandte Einspruch ist jedoch formunwirksam, da er – mangels Verkörperung – weder schriftlich noch zur Niederschrift der Bußgeldbehörde eingelegt worden ist […], aber auch der elektronischen Form […] nicht genügt. Gemäß § 32a Abs. 3 StPO muss ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 StPO eingereicht werden. Die elektronischen Eingaben des Betroffenen weisen jedoch weder eine qualifizierte elektronische Signatur auf noch wurden sie auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht.“

 

Damit betritt das OLG kein Neuland, hebt jedoch noch einmal im Jahr 2023 hervor, dass Digitalisierung zwar grundsätzlich möglich ist, dann aber auch nach den (engen!) Spielregeln der Strafprozessordnung zu erfolgen hat.

Ein Grund mehr, auch einen Einspruch gegen eine Ordnungswidrigkeit Rechtsanwälten Ihres Vertrauens zu überlassen. Wir beraten und vertreten Sie gerne in sämtlichen Angelegenheiten des Verkehrsrechts!

Tue Gutes und profitiere davon!

Für einen pflegebedürftigen Menschen ist es mittlerweile leider oft ein Glücksfall, wenn er nicht in ein Pflegeheim muss, sondern in seinen eigenen vier Wänden von seinen Kindern und Enkeln gepflegt wird. Geschieht dies, ist die Last innerhalb der Familie oftmals ungleich verteilt. Während das Kind, das in der Nähe des Pflegebedürftigen lebt, sich intensiv unter Aufopferung eines Großteils seiner eigenen Freizeit um diesen kümmert, bringt sich ein anderes Kind sei es aus tatsächlichen Gründen wie der großen Entfernung des eigenen Wohnorts zu dem des Pflegebedürftigen oder einfach mangels Interesses überhaupt nicht in die Pflege ein.

Um dadurch entstehende Ungerechtigkeiten auszugleichen und um einen Anreiz zur persönlichen Pflege zu schaffen, sieht das Erbrecht für den Erbfall des Pflegebedürftigen unter bestimmten Voraussetzungen in § 2057a BGB einen finanziellen Ausgleich vor. Diese Vorschrift kommt dann zur Anwendung, wenn die gesetzliche Erbfolge greift, durch Testament letztlich nur die gesetzlichen Erbquoten bestätigt werden sowie wenn ein Abkömmling des Erblassers Pflichtteilsansprüche geltend macht.

In diesen Fällen erhält der Abkömmling, der den Erblasser gepflegt und so die Inanspruchnahme professioneller Pflegekräfte „erspart“ hat, über seinen Erbanteil hinaus einen Betrag zusätzlich aus dem Nachlass. Das heißt, dass sein Anspruch im Voraus aus dem Nachlass zu befriedigen ist, bevor der verbleibende Nachlass entsprechend den Erbquoten unter sämtlichen Erben zu verteilen ist. Die Höhe dieses Anspruchs hat das Gericht nach sog. billigem Ermessen zu taxieren. Dabei sind die Intensität bzw. der Umfang sowie die Dauer der gegenüber dem Erblasser erbrachten Pflegeleistungen angemessen zu berücksichtigen. Ein anderes Kriterium sind die Einsparungen des Erblassers und damit des Nachlasses, die dadurch eingetreten sind, dass nicht in vollem Umfang für die Pflege auf bezahlte Pflegedienste zurückgegriffen werden musste. Dies kann jedenfalls auch dadurch geschehen, dass ein Ausgleichsbetrag je Monat ermittelt und der Festsetzung des Ausgleichsbetrags zugrunde gelegt wird.

Bei Fragen rund ums Erbrecht steht Ihnen unser Experte Rechtsanwalt Michael Grieger zur Seite!

Sittenwidrige Bedingung in einem Testament

Dem OLG Hamm (Urteil vom 19.07.2023 – 10 U 58/21) lag folgender Fall vor: Die Erblasserin setzte ihre Tochter und ihre Enkelin als Erbinnen u.a. eines Hausgrundstück ein, in dem die Erblasserin bis zu ihrem Tod in einer und die Tochter mit der Enkelin in einer weiteren Wohnung lebten. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen.

Das Testament, das Tochter und Enkelin als Erbinnen einsetzte, enthielt zwei Bedingungen. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten.

Diese Bedingungen sind nach der Auffassung des OLG Hamm wegen Sittenwidrigkeit nichtig, § 138 I BGB. Dabei ist zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einem Erblasser grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten und er dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat. Sittenwidrigkeit kann daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, ist danach immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, sind dagegen regelmäßig zulässig

Im konkreten Fall weist zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stehe hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein soll. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben kann aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden.

Damit ist der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig.

Lassen Sie sich bei der Erstellung Ihres Testaments beraten, damit Ihr Wille auch tatsächlich so weit wie möglich realisiert werden kann!

LG Saarbrücken: Hupen begründet kein Vertrauen auf Abbruch einer Rückwärtsfahrt

13 S 60/22

Kommt es zum Unfall zwischen zwei Fahrzeugen, bestimmt sich die zivilrechtliche Haftung nach dem StVG. Die Verursachungsbeiträge müssen zur Bestimmung der Haftungsquote gegeneinander abgewogen werden.

Hierzu hat das LG Saarbrücken eine interessante Entscheidung getroffen:

Ein Fahrzeugführer fuhr durch einen verkehrsberuhigten Bereich. Er erkannte, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer rückwärts aus seiner Einfahrt zurücksetzte. Der Vorwärtsfahrende hupte, setzte seine Weiterfahrt jedoch fort. Dasselbe galt für den Rückwärtsfahrenden, der das Schallsignal entweder nicht hörte oder ignorierte. Es kam zur Kollision.

Der Vorwärtsfahrende pochte im Gerichtsverfahren auf eine 100% Haftungsquote des Rückwärtsfahrenden. Dieser habe seinen Sorgfaltskatalog aus § 9 V StVO verletzt. Durch das Hupen sei der Rückwärtsfahrende zudem auf die Gefahr hingewiesen worden.

Dieser Argumentation folgte das Gericht nur teilweise. Zwar träfe den Rückwärtsfahrenden den Großteil der Haftung. Für den Vorwärtsfahrenden sei der Unfall jedoch nicht unvermeidbar gewesen. Sein Hupen konnte nach Auffassung des Gerichts kein Vertrauen auf den Abbruch der Rückwärtsfahrt begründen. Die Richter gingen davon aus, dass der Hupende zudem anhalten musste.

Das Gericht gelangte mithin zu einer Haftungsquote von 80% zu 20% zu Lasten des Rückwärtsfahrenden bzw. dessen Haftpflichtversicherer. Das LG Saarbrücken entschärft somit den Sorgfaltskatalog aus § 9 V StVO und hebt das Gebot der Rücksichtnahme hervor.

4 gewinnt nicht immer!

Die Examensklausuren der juristischen Staatsprüfungen gelten als eine der schwersten Examina und Berufszulassungsvoraussetzungen im deutschen Bildungswesen. Entsprechend hoch sind daher auch die Durchfallquoten, was unter vielen Teilnehmern den scherzhaften Spruch etablierte: Vier gewinnt!

Gemeint ist hiermit der Notendurchschnitt von vier Punkten, da ab dieser Notenstufe eine Klausur als bestanden anzusehen ist. Allerdings enthalten die Prüfungsordnungen grundsätzlich neben einer erforderlichen Mindestdurchschnittspunktzahl eine weitere Regelung, wonach mindestens die Hälfte der Klausuren bestanden werden muss. So kann ein Kandidat in zwei von sechs Klausuren je 8 Punkte erreichen und in den weiteren vier Klausuren 3 Punkte. Der Notendurchschnitt läge dann über 4 Punkten (28 Punkte/6 = 4,66 Durchschnitt); aber mangels erforderlicher Anzahl bestandener Klausuren wäre der Prüfling trotzdem durchgefallen. Eine Kandidatin die statt 28 Punkten lediglich 24 Punkte (Durchschnitt 4,0 Punkte) erreicht, dabei aber alle Klausuren mit 4 Punkten absolviert, besteht hingegen das schriftliche Examen und kann an der mündlichen Prüfung teilnehmen.

Eine Kandidatin in Rheinland-Pfalz klagte nun gegen eine entsprechende Prüfungsordnung vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz (Urteil vom 26.05.2023 – Az. 10 A 10029/23), da sie zwar im Durchschnitt die notwendigen 4 Punkte erreichte; nicht jedoch die erforderliche Mindestanzahl bestandener Klausuren. Die Klägerin sah in dieser Regelung einen Verstoß gegen höherrangiges Recht und begründete dies neben der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG insbesondere mit einem Verweis auf das im Deutschen Richterrecht normierte Gebot der einheitlichen Prüfungsanforderungen gemäß § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG. Dem trat das OVG entgegen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG bedürfe es keiner zwingenden Übereinstimmung sämtlicher Prüfungsordnungen, sondern kleinere Abweichungen seien zuzulassen. Ein relevanter Systembruch sei hier mit Blick auf die verschiedenen bundesweiten Prüfungsordnungen nicht zu erkennen.

BGH: Rechts vor links gilt auf öffentlichen Parkplätzen nur in Ausnahmefällen

 

Trotz der geringen Geschwindigkeit sind öffentliche Parkplätze ein Herd von Verkehrsunfällen. Das liegt an den unklaren Regeln, den geringen Abständen zwischen den Fahrzeugen und insbesondere an den unterschiedlichen Fahrtrichtungen.

Zu Beginn des Jahres hat der BGH nunmehr erstmals zur Vorfahrtsregelung auf öffentlichen Parkplätzen Stellung bezogen und damit wichtige Fragen zur Haftung nach dem StVG und der StVO beantwortet.

Parkplätze seien Verkehrsflächen und keine Straßen. Deshalb gelte insbesondere das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Fahrzeugführer müssen sich durch Blickkontakt und Handzeichen über die Vorfahrt verständigen.

Rechts vor links gelte nur dann, wenn die dort aufeinanderstoßenden Fahrspuren einen eindeutigen Straßencharakter aufwiesen. Dieser liege dann vor, wenn die Fahrbahnen nicht der Aufteilung und unmittelbarer Erschließung der Parkflächen dienen, sondern in erster Linie der Zu- und Abfahrt und damit dem fließenden Verkehr. Nur dann sei die allseits beliebte Regel rechts vor links gem. § 1 Abs. 2 StVO, die eigentlich nur für Straßen gilt, auch auf die Verkehrsfläche Parkplatz anwendbar.

Damit bestätigt der BGH die bislang wohl vorherrschende Meinung der Instanzengerichte. Spannend bleibt nach wie vor die Frage der Ausdehnung der Sorgfaltspflichten zweier rückwärtsfahrender Fahrzeuge. Hierzu hatte der BGH in den vergangenen Jahren seine Rechtsprechung mehrfach geändert.

Wohnungsdurchsuchung – das sollten Sie unbedingt wissen!

Wann darf die Polizei meine Wohnung durchsuchen?

Unter welchen Voraussetzungen eine Wohnung von der Polizei durchsucht werden darf hängt maßgeblich davon ab, ob dies zum Zweck der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr (u.a. der Verhütung von Straftaten) erfolgt.

Wohnungsdurchsuchung zum Zweck der Strafverfolgung

Eine Wohnungsdurchsuchung zur Strafverfolgung ist in den §§ 102 ff. der Strafprozessordnung geregelt. Zweck ist, entweder den Täter oder Beweismittel aufzufinden. Die Wohnungsdurchsuchung muss grundsätzlich von einem Richter angeordnet werden. Nur wenn Gefahr im Verzug ist (d.h. Beweismittel könnten verloren gehen oder ein Schaden könnte eintreten, wenn erst noch eine richterliche Anordnung eingeholt werden müsste), darf auch die Staatsanwaltschaft bzw. in bestimmten Fällen ihre Ermittlungspersonen, also die Polizei selbst, eine Wohnungsdurchsuchung selbst anordnen und dann durchführen (die Anordnung bedarf dann grds. nicht der Schriftform und kann daher auch mündlich, i.d.R. telefonisch, erfolgen). Eine richterliche Durchsuchungsanordnung muss hingegen schriftlich abgefasst werden.

Diese muss folgende Angaben enthalten:

die Bezeichnung der zur Last gelegten Straftat;

den Inhalt des Strafvorwurfs, soweit keine Gefährdung des Untersuchungszwecks im Raum steht;

die Bezeichnung des Zwecks, des Ziels und des Ausmaßes der Durchsuchung;

die Bezeichnung der möglichen aufzufindenden Beweismittel.

Es kann sowohl die Wohnung des (mutmaßlichen) Täters als auch die Wohnung anderer Personen durchsucht werden. Während aber zur Durchsuchung der Wohnung des Täters ausreicht, dass zu vermuten ist, er halte sich dort auf oder Beweismittel werden sich dort finden, gelten für die Durchsuchung anderer Wohnungen strengere Voraussetzungen: Dann müssen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Täter oder Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befinden. Eine bloße Vermutung genügt daher nicht. Eine Durchsuchung darf nicht zur Nachtzeit (21:00 Uhr – 6:00 Uhr) erfolgen. Ausnahmen gelten aber beispielsweise dann, wenn der Täter auf frischer Tat verfolgt wird oder Gefahr im Verzug vorliegt, oder zur Ergreifung eines geflohenen Gefangenen. Zudem sollen zur Wohnungsdurchsuchung Zeugen hinzugezogen werden. Dies sind entweder der Richter oder der Staatsanwalt selbst oder aber Gemeindebeamte oder Gemeindemitglieder. Zudem hat der Wohnungsinhaber ein Recht auf Anwesenheit. Ist er nicht anwesend, so muss versucht werden ein Vertreter heranzuziehen.

Wohnungsdurchsuchung zum Zweck der Gefahrenabwehr

Ein weiterer Grund zur Durchsuchung einer Wohnung kann in der Gefahrenabwehr liegen. In einem solchen Fall ist u.a. eine Straftat noch nicht begangen, aber unter Umständen besteht die Gefahr dazu. Unter welchen Voraussetzungen die Polizei zum Zwecke der Gefahrenabwehr eine Wohnung durchsuchen darf, richtet sich im Einzelnen nach dem jeweiligen Polizei- und Ordnungsrecht der Länder, z.B.:

Bayern: Art. 23 f. Polizeiaufgabengesetz

Baden-Württemberg: § 36 Polizeigesetz

Thüringen: § 25 f. des Polizeiaufgabengesetz

Hessen: § 36 Polizeigesetzes.

Geld zurück bei Pauschalreisen

Wird eine Pauschalreise durch die Corona-Maßnahmen des Reiseziels beeinträchtigt, können die Reisenden auch nachträglich eine Minderung des Reisepreises geltend machen. Das hat heute der Europäische Gerichtshof entschieden (Az. C 396/21). Die Rechtsfrage, die sich um die Auslegung des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/2302 dreht, wurde dem höchsten europäischen Gericht nach Durchlaufen der deutschen Instanzen vorgelegt. Im Präzedenzfall waren auf den Kanaren die Pools und Strände geschlossen worden. Ein Verlassen des Hotelzimmers war nur noch zur Beschaffung von Essen und Trinken erlaubt.

Dreh und Angelpunkt eines Minderungsanspruchs ist eine Vertragswidrigkeit nach EU-Recht. Diese ist als Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der in einer Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen definiert.

Daraus folgt, dass die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der Reiseleistungen ausreicht, um dem betreffenden Reisenden einen Anspruch auf Minderung des Preises seiner Pauschalreise gegen den Reiseveranstalter zu verleihen, der ihm die Pauschalreise verkauft hat. Die Ursache dieser Vertragswidrigkeit, insbesondere ihre Zurechenbarkeit zu diesem Reiseveranstalter, ist insoweit unerheblich.

Für die Bemessung der Minderung sind nach EuGH insbesondere drei Faktoren ausschlaggebend:

– Der Umfang der Leistungen des Pauschalreisevertrags

– Der Umfang der Einschränkungen

– Eigenes Bemühen des Reisenden, durch Kontakt mit dem Reiseveranstalter einen zumutbaren Zustand herzustellen.

 

Gerne beraten wir Sie in dieser Angelegenheit und vertreten Sie auch gegenüber Ihrem Reiseanbieter.

 

„eBay Jäger“ aufgepasst – das Finanzamt schaut genauer hin!

Wer im privaten Rahmen auf Schnäppchen-Suche im Internet an Versteigerungen teilnimmt, kann ggf. vom Finanzamt zur Kasse gebeten werden. Im Leitsatz des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 12.05.2022 – VR 19/20) stellt das höchste Finanzgericht klar, wer auf mehreren hunderten Auktionen Waren über die Internetplattform eBay veräußert, übt eine nachhaltige und umsatzsteuerrechtlich unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz aus. Es muss jeweils für den Einzelfall betrachtet werden, ob die Verkaufstätigkeit auch als wirtschaftliche Tätigkeit eine Unternehmereigenschaft begründet oder nicht. Sollten Sie sich als gekonnter und fleißiger eBay-Jäger angesprochen fühlen, empfiehlt sich der Weg zum Steuerexperten, um sich hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation und damit kausal verbundenen Steuerfolgen abzusichern.

Kosten der Nacherfüllung im Kaufrecht

Wer einen Kaufvertrag über eine Sache (bspw. Gebrauchtwagen) abschließt, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Verschaffung eines mängelfreien Kaufexemplars. Zeigen sich nach Übergabe allerdings Mängel, so stehen dem Käufer grundsätzlich Mängelgewährleistungsrechte zu. Bevor man allerdings direkt die Rückabwicklung des Vertrages verlangen kann, muss man dem Verkäufer die Möglichkeit zur Nachbesserung/ Nachlieferung geben (Recht zur zweiten Andienung), sofern dies möglich und zumutbar ist. Einen Streitpunkt stellen dabei häufig die Kosten der Nacherfüllung dar, zu welchen natürlich auch die Transportkosten des Kaufgegenstandes gehören. Hier kann insbesondere bei größeren Gegenständen eine erhebliche Summe im Raum stehen.

Gerne klären wir Sie im Rahmen einer rechtlichen Beratung darüber auf, wie unnötige Kosten hier vermieden werden können und welche Rechte und Pflichten Ihnen als Verkäufer und/ oder Käufer zustehen. 

Unwirksame Preisanpassungen

Aufgrund der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Lage erleben wir einen kontinuierlichen Preisanstieg in allen Lebensbereichen. Auch viele Unternehmer versuchen, Ihre steigenden Produktionskosten an die Endverbraucher weiterzugeben. Ein beliebtes Mittel sind dabei zumeist sog. Preisanpassungsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für laufende Vertragsbeziehungen. Dabei verkennen jedoch viele Anbieter die hohen Anforderungen, die von der Rechtsprechung an die Wirksamkeit derartiger Regelungen gestellt werden. Möchte Ihr Vertragspartner einseitig höhere Preise abrufen, so ist er rechtlich gezwungen, dies konkret und nachvollziehbar darzulegen. Außerdem muss Verbrauchern ab einem bestimmten Erhöhungssatz ein Kündigungsrecht eingeräumt werden. Sinn und Zweck der Klauseln ist die Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen Leistung und Gegenleistung. Daher ist der Verwender/Anwender verpflichtet, auch relevante Preissenkungen aus anderen Bereichen weiterzugeben.

Sie sind daher nicht gezwungen, jegliche Preisanpassung vorbehaltlos hinzunehmen, sondern können vor Zahlung im Einzelfall eine rechtliche Überprüfung der Regelungen vornehmen lassen.

Keine Staatshaftung für pandemieabwehrbedingte Betriebsschließung BGH, Urteil vom 17.03.2022 – III ZR 79/21; NJW 2022, 2252

Insbesondere Gaststätten und Hotelbetreiber litten enorm unter den behördlichen Betriebsschließungen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie.

Daher versuchten viele Gewerbetreibende, ihre wirtschaftlichen Einbußen neben Corona-Unterstützungshilfen über die sog. Staatshaftung auszugleichen und begehrten eine entsprechende Entschädigung bzw. Schadensersatz von den Ländern. Der Bundesgerichtshof entschied nun im Frühjahr 2022, dass derartige Ansprüche zumindest bei rechtmäßigen Betriebsschließungen grundsätzlich ausscheiden. Wer im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie als infektionsschutzrechtlicher Nichtstörer durch flächendeckende Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IFSG Einbußen erlitt, habe weder nach § 56 IFSG noch nach § 65 ISFG einen Anspruch auf Entschädigung. Außerdem verbiete sich ein Rückgriff auf allgemeines Ordnungsrecht bzw. auf Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs, da enthaltenen Bestimmungen des IFSG hierzu abschließende spezialgesetzliche Regelungen mit Sperrwirkung enthielten.

Immer mehr verlorene und verspätete Gepäckstücke bei Flughafenchaos

Die Urlaubssaison ist in vollem Gange. Leider ist sie dieses Jahr noch chaotischer als bisher. Nachdem viele Menschen zwei Jahre lang auf Reisen verzichtet hatten, stehen an den Flughäfen nunmehr Personalmangel und Streiks auf der Tagesordnung.

Im Zuge dessen werden nicht nur Flüge gestrichen. Es gehen so viele Gepäckstücke verloren wie noch nie zuvor. In den meisten Fällen kommt der Koffer verspätet am Zielort an. Allerdings leidet der Urlaub darunter erheblich. Betroffene fragen sich häufig, welche Ansprüche Ihnen zustehen.

Zunächst ist es wichtig, noch am Flughafen den sogenannten Property Irregularity Report auszufüllen. Damit lässt sich das Abhandenkommen des Gepäckstücks beweisen.

Bis zur tatsächlichen Ankunft des Gepäckstücks können Betroffene Notwendiges wie Kleidung und Drogerieartikel zunächst auf eigene Rechnung kaufen. Wichtig ist es hier, die Einkaufsbelege gut aufzubewahren. Diese Kosten hat nach dem Montrealer Abkommen die Airline zu tragen, die die verspätete Ankunft des Gepäckstücks zu verantworten hat. Dieser Betrag ist auf etwa 1.500,00 € gedeckelt. Airlines kommunizieren Kunden gegenüber gerne, dass diese lediglich 20-30 € pro Tag zahlen würden. Dies ist rechtlich nicht haltbar.

Falls es sich um eine Pauschalreise handelt, stehen Betroffenen im Übrigen gegen den Reiseveranstalter Minderungsansprüche zu. Trifft das Gepäckstück bei einer zweiwöchigen Reise fünf Tage später ein, ist eine Reisepreisminderung wegen entgangener Urlaubsfreude von etwa 20 bis 30 Prozent angezeigt.

Es kann sich also insbesondere bei längeren Verspätungen und Deckungskäufen lohnen, seine Rechte sorgfältig prüfen zu lassen.

Fluggastrechte bei ausfallenden Flügen

Aufgrund des erheblichen Personalmangels an deutschen Flughäfen kommt es derzeit zu einer enormen Anzahl von Flugannullierungen. Sofern Sie hiervon als Reisender betroffen sind, müssen Sie dies jedoch nicht anstandslos hinnehmen.

Bei der Annullierung oder auch Verspätung eines Fluges ist das ausführende Luftfahrtunternehmen grundsätzlich verpflichtet, Ihnen bestimmte Unterstützungsleistungen anzubieten. Hierzu zählen bspw. eine angemessene Versorgung mit Mahlzeiten und Erfrischungen sowie eine ggf. notwendige Hotelunterbringung. Möglich ist auch ein Anspruch auf Erstattung der Reisekosten oder eine anderweitige Beförderung zum Reiseziel.

Darüber hinaus erhalten Fluggäste bei einer Annullierung einen sog. Ausgleichsanspruch nach der europäischen Fluggastrechteverordnung. Die Höhe dieser Ausgleichszahlung bemisst sich dabei an der jeweiligen Entfernung der Flugreise und kann pro Fluggast bis zu 600,00 EUR betragen.

Das Luftfahrtunternehmen kann die Leistung nur dann verweigern, wenn nachweisbar ist, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht.

Sie sollten sich daher als Betroffener genau informieren, welche Rechte Ihnen zustehen und wie Sie diese am besten gegen das Luftfahrtunternehmen durchsetzen können. Hierbei stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.

 

Hauslasten können auch beim Kindesunterhalt in die Berechnung als Abzugsposten eingestellt werden – BGH, Beschluss vom 09.03.2022, XII ZB-233/21

Wenn der Unterhaltsschuldner eine in seinem Eigentum stehende Immobilie bewohnt, wird ihm im Rahmen einer Unterhaltsberechnung ein fiktives Einkommen angerechnet, der sog. Wohnwert. Die Idee dahinter ist, dass sich der Unterhaltsschuldner die Zahlung einer Miete erspart. Allerdings zahlt er statt einer Miete sehr oft die Annuitäten für seine Immobilienfinanzierung. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) konnte er allerdings nur die Zinsen in uneingeschränktem Maße mit dem Wohnwert verrechnen. Die Anrechnung der Tilgung war nur beschränkt möglich.

Diese Rechtsprechung hat der BGH nunmehr auch für den Kindesunterhalt geändert. Nachdem im Rahmen des Ehegattenunterhalts schon länger anerkannt war, dass Zins und Tilgung bis zur Höhe des Wohnwerts und nicht mehr nur eingeschränkt abgezogen werden können, gilt dies künftig auch für den Kindesunterhalt.

Eine Einschränkung macht der BGH für den Fall, dass durch die Berücksichtigung der vollen Annuität der Mindestunterhalt für minderjährige Kinder gefährdet wird. In einem solchen Fall kann dem Unterhaltspflichtigen zwar nicht eine vollständige Aussetzung der Tilgung, wohl aber nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise eine Tilgungsstreckung zugemutet werden. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine besonders hohe Tilgung vereinbart wurde oder die Immobilie bereits weitgehend abbezahlt ist.

Bei Fragen zum Unterhaltsrecht steht Ihnen unser Rechtsanwalt Michael Grieger zur Verfügung! Mit seinen über 20 Jahren Erfahrung im Unterhaltsrecht wird er auch Ihnen weiterhelfen können.

 

Corona – Fitnessstudio – Rückerstattung von Beiträgen

Während der Corona-Pandemie mussten deutschlandweit zahlreiche Fitnessstudios ihren Betrieb einstellen und durften den Mitgliedern aufgrund behördlicher Auflagen keinen Zugang gewähren. Dennoch wurden die monatlichen Mitgliedsbeiträge weiterhin per Lastschriftverfahren von vielen Betreibern abgebucht.

Während einige Studios die Beiträge für die geschlossenen Monate zurückerstatteten, boten zahlreiche Studios lediglich Gutscheinlösungen oder ähnliche Verrechnungsmöglichkeiten an.

Was sich durch einige amtsgerichtliche Entscheidungen schnell abzeichnete, wurde nun vom Bundesgerichtshof verbindlich festgestellt!

Am 04.05.2022 entschied der BGH zu Lasten der Studiobetreiber und verurteilte diese zur Rückzahlung geleisteter Monatsbeiträge, sofern das Fitnessstudio coronabedingt geschlossen werden musste.

Auszugsweise heißt es in dem Urteil: „Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.“ – BGH Urteil des XII. Zivilsenats vom 4.5.2022 – XII ZR 64/21 –

Man muss sich als Vertragspartner daher nicht auf angebotene Lösungen des Betreibers einlassen, sondern kann im Einzelfall die Rückerstattung der Mitgliedsbeiträge einfordern.

Sportwagen mit 417 km/h auf Autobahn – rücksichtlos?

 – – – Staatsanwaltschaft Stendal stellt die eingeleiteten Ermittlungen wegen eines illegalen Straßenrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB gegen den Bugatti Chiron Fahrer ein, welcher im Juli 2021 mit 417 km/h über die A2 fuhr – – –  

(Quelle: FAZ.NET vom 22.04.2022)

Ein verbotenes Einzelrennen läge im konkreten Fall nicht vor:

Dazu müsste sich der Fahrer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegen, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis, dass die Tatbestandvoraussetzungen nicht vorliegen würden.

Der Fahrer habe optimale Wetterbedingungen, Straßenverhältnisse und Uhrzeit gewählt. Gerade die Rücksichtlosigkeit, insbesondere gleichgültiges Verhalten, könne dem Fahrer deshalb nicht vorgeworfen werden. Zudem sei sein Auto auf solche Geschwindigkeiten ausgelegt und auf dem Abschnitt habe es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gegeben. Auch Hinweise auf eine unsichere Fahrweise habe es keine gegeben.

Informationen zu § 14 BayJAPO: Das Nachprüfungsverfahren im Juristischen Staatsexamen in Bayern

Im Rahmen juristischer Staatsexamina in Bayern besteht gem. § 14 BayJAPO die Möglichkeit, eine erneute Durchsicht der Klausuren durch die Korrektoren zu erzwingen. Anders als in anderen Bundesländern findet hingegen kein Widerspruchsverfahren.

 

Die Frist für ein derartiges Verfahren beträgt 1 Monat ab Bekanntgabe des Prüfungsbescheids. Im Rahmen dieses Verfahrens besteht die Möglichkeit, Korrektoren auf Ungereimtheiten in der Bewertung oder Bewertungsfehler hinzuweisen, um außergerichtlich eine Anhebung der Punktzahl zu erreichen. Zwar ist juristisch eine reformatio in peius nicht ausgeschlossen, findet in der Praxis der Prüfungsämter aber nicht statt. Die Durchführung dieses Verfahrens hemmt die Klagefrist (ebenfalls 1 Monat ab Bekanntgabe des Bescheids, vgl. Rechtsbehelfsbelehrung dort) allerdings nicht!

 

Daher bekommt man die Stellungnahmen der Prüfer die im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens eingeholt werden vor Einleitung eines Klageverfahrens grds. nicht zu Gesicht; allerdings ist es üblich, das Klageverfahren bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens auszusetzen, sodass man im Rahmen der Klagebegründung die Möglichkeit erhält, sich mit den Argumenten der Korrektoren auseinanderzusetzen. Die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nimmt etwa 3-4 Monate in Anspruch.

 

Das Verfahren gem. § 14 BayJAPO gestaltet sich im Einzelnen wie folgt:

 

Schritt 1:

Einreichung des Nachprüfungsantrags innerhalb der Frist und Anforderungen der Klausuren, bei denen eine Nachprüfung stattfinden soll.

Analyse der Klausuren nach Zusendung durch das Landesjustizprüfungsamt und Überprüfung, ob eine Begutachtung erfolgversprechend ist.

 

Schritt 2:

Besprechung mit Mandantin/Mandant inwieweit Erfolgsaussichten bestehen.

Fertigung von Gegenbewertungsgutachten nach gesonderter Absprache bzgl. der erfolgversprechenden Klausuren und fristgerechte Einreichung beim Landesjustizprüfungsamt innerhalb von 2 Monaten nach Bekanntgabe des Prüfungsbescheids.

 

(Achtung: hat man die Prüfung nicht bestanden, ist dieser Bescheid maßgeblich; hat man bestanden und geht es um eine Notenverbesserung ist die Bekanntgabe der Prüfungsgesamtnote nach mündlicher Prüfung maßgeblich).

 

Schritt 3:

Information durch Prüfungsamt, inwieweit die Einwendungen gegen die Beurteilung erfolgreich waren. Falls ja, Zulassung zur mündlichen Prüfung (ggf. im nächsten Termin) bzw. Ausstellung eines neuen Zeugnisses bei Notenverbesserung. Falls nein: Ggf. Fortführung des parallel eingeleiteten Klageverfahrens (Sobald das Nachprüfungsverfahren abgeschlossen ist, wird das Verwaltungsgericht, wenn parallel Klage erhoben worden sein sollte, davon durch das Landesjustizprüfungsamt in Kenntnis gesetzt und bestimmt eine Frist zur Begründung der Klage.

 

Weitere Informationen erhalten Sie über: https://www.staatsexamen-prüfungsanfechtung.de/

 

 

EuGH, Urteil vom 31.03.2022 – C-96/21 Ausnahmsweise kein Widerrufsrecht bei Ticket-Kauf im Internet!

Grundsätzlich steht Verbrauchern bei Verträgen mit einem Unternehmer ein vierzehntägiges Widerrufsrecht zu, sofern die Karten über das Internet bestellt werden.

Zur Verwirklichung des Verbraucherschutzes kann der private Käufer ein sog. Fernabsatzgeschäft nach ordnungsgemäßer Belehrung noch innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen und das Entgelt zurückverlangen.

Eine Ausnahme hiervon gilt nach neuster Rspr. des europäischen Gerichtshofs für die Wahrnehmung von Freizeitaktivitäten, z.B. Kultur- und Sportveranstaltungen. Hier ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen.

Hintergrund dieser Ausnahme sei das zu große wirtschaftliche Risiko des Veranstaltungsunternehmers, der in solchen Fällen unter Auslegung der europäischen Richtlinien ebenfalls schutzwürdig sei.

Dies dürfte gerade mit Blick auf die große Anzahl der abgesagten Veranstaltungen wegen Corona eine enorme praktische Bedeutung haben.

 

Fälschung von Impfausweisen etc. - Kurzüberblick über die Rechtslage

Ärzte oder andere approbierte Medizinalpersonen, z.B. Apotheker, müssen mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft rechnen, wenn sie ein gefälschtes Gesundheitszeugnis ausstellen, § 278 StGB (da es sich insoweit im Rahmen des § 267 StGB nur um eine schriftliche Lüge, keine falsche Urkunde handeln würde, gibt es hier eine gesonderte Norm).

Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Haft droht gem. § 277 StGB all jenen, die sich etwa als Arzt ausgeben, um einen Impfnachweis auszustellen.

Das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises gem. §§ 277, 278 StGB gegenüber einer Behörde, einer Versicherung, aber auch im Restaurant oder bei einem Konzert ist nach § 279 StGB strafbar. Das kann dann eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis nach sich ziehen.

Daneben kann je nach Einzelfallkonstellation regelmäßig aber auch eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB vorliegen. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass Gesundheitszeugnisse regelmäßig Urkunden im Sinne der §§ 267 und 269 StGB sind; die §§ 277 bis 279 StGB entfalten keine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. StGB, sondern enthalten lediglich darüber hinausgehende Strafbarkeiten für spezielle Konstellationen.

Mit § 275 Abs. 1a StGB steht auch der Eintrag einer Impfung in einen Blanko-Ausweis sowie die Beschaffung eines entsprechenden Dokuments unter Strafe. Mit dem Herstellen eines Blanko-Impfausweises ohne Namen läge noch keine Urkunde vor. Die Vorschrift erfasst u.a. Verkäufer von gefälschten Impfpässen.

BGH, Beschluss vom 10.11.2021 – IV ZB 30/20 Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments

Nach § 2247 I S. 1 BGB kann der Erblasser ein Testament durch eine eigenhändig per Hand (!) geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Ein per Schreibmaschine oder Computer getipptes Testament ist eindeutig unwirksam! Der Erblasser sollte aus Gründen der Rechtssicherheit das Testament mit seinem vollen Namen – und nicht einem Spitz- oder Kosenamen – unterschreiben und außerdem Ort und Datum der Testamentserrichtung hinzufügen.

Eine Besonderheit gilt für das gemeinschaftliche Ehegattentestament: Gemäß § 2267 S. 1 BGB genügt es zur Errichtung eines solchen Ehegattentestaments, wenn nur einer der Ehegatten das Testament in der oben beschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung lediglich eigenhändig mitunterzeichnet.

Ein Testament muss dabei nicht zwingend in einem einzigen Dokument errichtet sein – auch wenn sich dies natürlich empfiehlt! Es ist zulässig, dass in einem Testament auf eine andere, ihrerseits (form)wirksame letztwillige Verfügung verwiesen wird. Ein Testament kann sich also durch aus mehreren Dokumenten zusammensetzen – soweit jedes Dokument für sich die Formvorgaben der §§ 2231 ff. BGB erfüllt.

Dagegen kann der Erblasser hinsichtlich des Inhalts der letztwilligen Verfügung grundsätzlich nicht auf Schriftstücke, die nicht der Testamentsform genügen, Bezug nehmen (sog. „testamentum mysticum“). Zulässig ist allerdings nach herkömmlicher Ansicht die Bezugnahme zum Zwecke der näheren Erläuterung der testamentarischen Bestimmungen sein, weil es sich dann nur um die Auslegung des bereits formgültig erklärten, andeutungsweise erkennbaren Willens handele. Insoweit wird nach bisheriger Rechtsprechung zwischen (zulässigen) Bezugnahmen zur näheren Erläuterung einerseits und (unzulässigen) ergänzenden oder inhaltsbestimmenden Bezugnahmen andererseits unterschieden.

Haben Sie Fragen zur (formwirksamen) Errichtung einer Verfügung von Todes wegen? Wenden Sie sich an unsere Experten …..

Aktuelles zu Plagiaten bei Doktorarbeiten VG Berlin, Urteil vom 02.11.2021 - 3 K 176/20
(openJur 2022, 408)

Wie vermeide ich Plagiate?

Von Promovierenden ist zu fordern, dass er jeden Gedankengang und jede Fußnote, die ihren Ursprung nicht in seiner eigenen gedanklichen Leistung, sondern im Werk eines Anderen hat, ferner alle aus fremden Werken wörtlich übernommenen oder ähnlichen Textpassagen, ausnahmslos als solche kenntlich macht.

Auch indirekte, umschreibende Fremdtextwiedergaben sind so deutlich zu kennzeichnen, dass der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu wem spricht.

 

Fazit:

Jeder Satz, dessen Inhalt nicht komplett selbst erdacht ist, muss mit einer individuellen Quellenangabe versehen sein. Abgesehen von eigenen Erwägungen muss hinter jedem Satz einer Doktorarbeit ein Beleg oder eine Fußnote stehen. Auch von Dritten übernommene Nachweise sind mit einer Angabe zu kennzeichnen.

Wann kann bei Plagiaten der Titel entzogen werden?

Ein versehentliches Vergessen einzelner Belege führt noch nicht zur Aberkennung des Doktorgrades. Ob eine Dissertation noch als Eigenleistung gelten kann, entzieht sich einer allgemeingültigen Bewertung.

Maßgebend ist die Würdigung des jeweiligen Sachverhalts. Hierfür sind die Anzahl der Plagiatsstellen, ihr quantitativer Anteil an der Dissertation sowie ihr qualitatives Gewicht, das heißt ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit zu berücksichtigen.

Die Plagiatsstellen müssen die Arbeit quantitativ, qualitativ oder in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen. Eine quantitative Prägung ist zu bejahen, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnehmen. Derartige Passagen prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt.

 

Ist bei einem gemeinsam ausgeübten Sorgerecht der eine Elternteil für, der andere gegen eine Impfung des Kindes, wird – wenn eine vorhandene Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) vorliegt – die Entscheidung über die Durchführung der Impfung auf den die Impfung befürwortenden Elternteil übertragen. OLG Frankfurt v. 08.03.2021 (6 UF 3/21) OLG Rostock v. 10.12.2021 (10 UF 121/21) AG Siegburg v. 16.12.2021 (318 F 98/21)

Wenn sich Eltern in einzelnen Angelegenheiten der elterlichen Sorge, zu denen grundsätzlich auch die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen gehören, nicht einigen können, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gem. § 1628 BGB die Entscheidung einem Elternteil übertragen, um so die gegenseitige Blockierung aufzuheben.

Ist nun ein Elternteil für, das andere Elternteil gegen eine Impfung des gemeinsamen Kindes gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 mit einem mRNA-Impfstoff, so richtet sich die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach der vorhandenen Empfehlung durch die Ständige Impfkommission STIKO.

Liegt also eine solche Impfempfehlung vor und bestehen keine besondere Impfrisiken beim Kind, so wird die Entscheidungsbefugnis dem die Impfung befürwortenden Elternteil übertragen.

Die aktuellen Empfehlungen der STIKO finden sich auf www. rki.de.

 

Keine gesteigerte Unterhaltspflicht für die Eltern solange Großeltern leistungsfähig sind! (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – XII ZB 123/21)

Verwandte in gerader Linie sind gemäß § 1601 BGB verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Also schulden Eltern ihren Kindern Unterhalt, solange diese noch nicht selbst in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Unterhaltspflichtig sind grundsätzlich auch die Großeltern, allerdings geht die Unterhaltspflicht der Eltern derer der Großeltern vor.

Die Unterhaltspflicht entfällt, wenn ein Elternteil außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dieser Selbstbehalt beträgt nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle 1400 €. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB diesen gegenüber eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der sog. notwendige Selbstbehalt zusteht, der sich derzeit auf 1.160 € beläuft.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die bislang umstrittene Frage entschieden, ob der reduzierte Selbstbehalt von 1.160 € bei einem Elternteil auch dann zum Tragen kommt, wenn Großeltern auch unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 1.400 € leistungsfähig wären. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist dies nicht der Fall, vielmehr greift in einem solchen Fall die eigentlich nachrangige Haftung der Großeltern. Die Unterhaltspflicht eines Elternteils für ein minderjähriges Kind kann also entfallen, wenn ihm durch die Unterhaltszahlung weniger als 1.4000 € monatlich verbleiben!

 

Mietrecht aktuell – BGH Urteil vom 12.01.2022 – Az.: XII ZR 8/21: Gewerblichen Mietern steht bezüglich der Miethöhe grds. ein Anpassungsrecht zu, wenn sie wegen Corona schließen müssen.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob der Vermieter einer KiK-Filiale trotz Schließung wegen Corona den vollen Mietzins beanspruchen kann.

Zunächst ließe sich darüber streiten, ob die erzwungene Schließung eines Geschäftsraums durch behördliche Auflagen einen Mietmangel darstellen könnte, welcher ein Minderungsrecht nach § 536 BGB statuieren würde. Dies wurde zu Recht abgelehnt. Durch die behördliche Schließung wird weder der Mieterin die grds. Nutzung der angemieteten Geschäftsräume noch der Vermieterseite tatsächlich oder rechtlich die Überlassung verboten. Das Mietobjekt steht daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Auch Kik konnte hier nicht davon ausgehen, dass die Vermieterseite mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Fall einer Pandemie übernehmen wollte.

Dem Mieter von gewerblich genutzten Räumen kann aber im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehen.

Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ist im vorliegenden Fall die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werden. Diese Erwartung der Parteien wurde durch die erzwungene Schließung schwerwiegend gestört. Dabei müssen jedoch stets die Umstände jedes konkreten Einzelfalls betrachtet werden. Ein pauschales Minderungs- bzw. Anpassungsrecht nach § 313 BGB ist nicht möglich, da stets die Interessen und Vorstellungen beider Vertragsparteien abgewogen werden müssen.

Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage jedoch nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, müssen bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile berücksichtigt werden, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt habe.

 

OLG Köln, Urteil vom 05.05.2020 Auch eine „Polizeiflucht“ vor einer Verkehrskontrolle kann § 315d StGB verwirklichen

Ein Kraftfahrzeugführer, der sich durch „Flucht nach vorn“ einer polizeilichen Verkehrskontrolle entziehen will, kann sich dabei auch nach § 315d StGB wg. verbotener Kraftfahrzeugrennen strafbar machen (OLG Köln, Urteil vom 05.05.2020 – III-1 RVs 45/20).

 

Im Straßenverkehr stellt die Verweigerung auf polizeiliche Aufforderung anzuhalten und an einer Verkehrskontrolle mitzuwirken für sich selbst erst einmal keine Straftat, sondern allenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar. Anders sieht es allerdings aus, wenn die Verweigerungshaltung nicht nur in schlichtem „Weiterfahren“ liegt, sondern regelrecht zur „Raserei“ wird. Das Oberlandesgericht Köln folgte in o.g. Entscheidung einer auch vom Oberlandesgericht Stuttgart vertretenen Auffassung (OLG Stuttgart Beschluss vom 04.07.2019, Az.4 Rv 28 Ss 103/19), wonach auch derjenige „Raserei“ i. S. d. neuen „Raser-Paragrafen“ (§ 315d StGB) begehen kann, der mehr als nur grob verkehrswidrig und rücksichtslos, aber ohne Wettbewerbscharakter, durch die Straßen brettert.

 

Nicht maßgeblich, ob bewiesen werde solle, der Schnellere zu sein, oder schlicht nur nicht von der Polizei erwischt zu werden

Der Angeklagte hatte sich mit mindestens 140 km/h bei erlaubten 70 km/h der Verkehrskontrolle entziehen wollen, bis ihm bei einem Abbiegevorgang dann doch kein Ausweg mehr blieb. In der hinter ihm „herjagenden“ Zivilstreife wollten auch die Richter am Oberlandesgericht Köln keinen wettbewerbsüblichen „Gegner“ sehen.

 

Eben dies sei allerdings auch, so die Entscheidung, für eine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB aber nicht erforderlich. Denn nach der tatbestandlichen Formulierung müsse der „Rasende“ nur in der Absicht handeln, im Zuge seiner grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrerei in der konkreten Situation die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Welchen weitergehenden Zweck er damit verfolge, sei nicht relevant. Es komme nicht darauf an, ob bewiesen werde solle, der Schnellere zu sein, oder schlicht nur nicht von der Polizei erwischt zu werden. Entscheidend sei vielmehr, dass das Risiko des jeweiligen Geschehens vergleichbar sei, wofür es eben gerade nicht auf mindestens einen weiteren „Mitrasenden“ als „Gegner“ und „Mitbewerber“ ankomme.

 

 

AG Frankfurt am Main Urteil vom 18.10.2021

Ein Angeklagter hielt eine Zivilstreife für einen mutmaßlichen Rennkonkurrenten und wurde schließlich wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach dem „Raser-Paragrafen“ § 315d Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt.

Auch eine „Polizeiflucht“ vor einer Verkehrskontrolle kann § 315d StGB verwirklichen.

Den Beamten kam es in diesem Fall lediglich darauf an, den Angeklagten anzuhalten, als diese neben dem Angeklagten beschleunigten, um ihn zu überholen und vor ihm einzuscheren. Der Angeklagte hätte sich durch dieses, objektiv neutrale (Überhol-)Verhalten der Polizeibehörde, nicht provozieren lassen dürfen (AG Frankfurt a.M. Urteil vom 18.10.2021, Az.: 975 Ds 3230 Js 217464/21).

Von Zivilstreife bei Kavalierstart beobachtet

Eine Zivilstreife der Polizei beobachtete den Angeklagten dabei, als er innerhalb einer geschlossenen Ortschaft an einer Ampel einen „Kavalierstart“ hinlegte. Als die Beamten sich daraufhin dazu entschlossen, den Angeklagten einer Verkehrskontrolle zu unterziehen, und zum Überholen ansetzten, beschleunigte der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf mindestens 117 km/h. Entsprechend seinem spontan gefassten Plan wollte der Angeklagte eine möglichst hohe Geschwindigkeit erreichen, da er die Zivilstreife für einen mutmaßlichen Rennkonkurrenten hielt.

Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315 d StGB

Das AG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.10.2021, Az.: 975 Ds 3230 Js 217464/21) verurteilte den Angeklagten wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315 d StGB. Der Angeklagte hatte sich nach der Auffassung des Amtsgerichts mit unangepasster Geschwindigkeit fortbewegt, nachdem er die vor Ort zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten habe, was zugleich auch grob verkehrswidrig sei.

Keine Tatprovokation durch Polizeibeamten

Die Strafverfolgung war nach Auffassung des Amtsgerichts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Verhalten der Polizeibeamten als Tatprovokation zu werten sei. Weder sei ihr Handeln materiell rechtswidrig gewesen, noch hätten die Beamten den Angeklagten zur Tat verleiten wollen. Die Beweisaufnahme hatte nach Auffassung des Gerichts ergeben, dass es den Beamten lediglich darauf ankam, den Angeklagten anzuhalten, als diese neben dem Angeklagten beschleunigten, um ihn zu überholen und vor ihm einzuscheren. Der Angeklagte hätte sich durch dieses, objektiv neutrale (Überhol-)Verhalten der Polizeibehörde, nicht provozieren lassen dürfen.

Arbeitsrecht aktuell – Bundesarbeitsgericht erklärt Kürzung des Urlaubsanpruchs bei Kurzarbeit Null für rechtmäßig (Urt. v. 30.11.2021, Az. 9 AZR 225/21)

Mit einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der vollständige Ausfall einzelner Arbeitstage aufgrund von Kurzarbeit bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs zu berücksichtigen ist.

Im der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde im Betrieb, in welcher die Klägerin als Verkaufshilfe tätig war, Kurzarbeit eingeführt. Aufgrund der geschlossenen Vereinbarung war die Klägerin in den Monaten April, Mai und Oktober vollständig, in den Monaten November und Dezember weitgehende von der Arbeitspflicht befreit.

Diese Arbeitsausfälle nahm der beklagte Arbeitgeber zum Anlass, eine Neuberechnung des Urlaubsanspruchs der Klägerin vorzunehmen. Die Neuberechnung führte zu einer Kürzung von 14 auf 11,5 Tage.

Gegen diese Kürzung richtete sich die Klage der Arbeitnehmerin.

Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatte, war auch die Revision beim Bundearbeitsgericht erfolglos. Das BAG entschied, dass der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubs rechtfertige.

Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn die Kurzarbeit nicht wie im vorliegenden Sachverhalt individualvertraglich vereinbart, sondern aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist.

Die Entscheidung ist mit Blick auf den pandemiebedingten Bedeutungszuwachs von Vereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit von erheblicher praktischer Bedeutung.

BGH urteilt zur Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung – Rückerstattung geleisteter Beiträge möglich!

Mit zwei wichtigen Urteilen vom 16.12.2020 hat der unter anderem für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass die Begründung einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeit) erfordert, deren Veränderung die Prämienanpassung veranlasst hat.

Die Urteile sind von erheblicher praktischer Bedeutung. Da viele Beitragserhöhungen der vergangenen Jahre nach diesen Maßstäben nicht ausreichend begründet wurden, haben betroffene Versicherer Ansprüche auf Rückerstattung zu Unrecht geleisteter Beiträge!

Zum Hintergrund:

Gem. § 203 Abs. 2 VVG ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.

Maßgebliche Rechnungsgrundlagen in diesem Sinne sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten.

§ 203 Abs. 5 VVG sieht vor, dass die Änderung zu Beginn des zweiten Monats wirksam wird, der auf die Mitteilung der Änderung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

Hier setzen die Entscheidungen vom 16.12.2020 an.

Welche Anforderungen an die Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Während nach einer Ansicht die Erläuterung genügen soll, welche Faktoren allgemein für eine Prämienanpassung relevant sein können und wie das Verfahren der Prämienanpassung dem Grunde nach funktioniert, ist nach einer weiteren, vermittelnden, Ansicht eine auf die konkrete Prämienanpassung bezogene Begründung erforderlich, in der anzugeben ist, bei welcher Rechnungsgrundlage – Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten – die Veränderung, welche die Prämienanpassung ausgelöst hat, eingetreten ist. Eine weitergehende dritte Ansicht soll neben der betroffenen Rechnungsgrundlage zusätzlich anzugeben sein, in welcher Höhe sich deren Wert gegenüber der ursprünglichen Kalkulation verändert hat.

Der BGH hat sich nun der zweitgennannten vermittelnden Ansicht angeschlossen. Der Senat betont nunmehr, dass die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage erfordert, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat.

Die Urteile der Senats sind von erheblicher praktischer Bedeutung:

Die Entscheidungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Beitragserhöhungen privater Krankenversicherungen und ermöglichen Rückerstattungsansprüche der Versicherten, die in der Vergangenheit überhöhte Beiträge gezahlt haben.

Angesichts der Feststellungen des BGH kann sich mit Blick auf mögliche Erstattungsansprüche eine Überprüfung der Beitragserhöhungen vergangener Jahre lohnen.